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 WOS 1 / Proceedings / Panels / 3. Freie Software in der Wirtschaft / Sebastian Hetze / text

Sebastian Hetze

Wirtschaftliche Aspekte von Freier Software und OpenSource

Summary

Bei der Betrachtung wirtschaftlicher Aspekte von OSS muß es zwangsläufig darum gehen, wie eine Ware überhaupt vermarktet werden kann, die ohne relevante Kosten oder legale Restriktionen beliebig oft reproduziert werden kann. Im ersten Abschnitt geht es um die Charakterisierung Freier Software als Technologie im Vergleich zu dem Proprietären Produkt. Unter wirtschaftlichen Aspekten werden im zweiten Abschnitt die Geschäftsmodelle beschrieben, in denen Freie Software auf dem Markt erscheint. Das sind neben dem Distributionsgeschäft vor allem der Bereich von Beratung und Herstellung kundenspezifischer Softwarelösungen sowie die Service und Supportdienstleistungen. Außerdem wird OSS zusammen mit Hardware und als Add-On für Proprietäre Software vermarktet. Der dritte Abschnitt zeigt, daß die Anwender die eigentlichen Gewinner beim Einsatz von OSS sind. Sie sparen nicht nur Geld sondern gewinnen Freiheit, Selbständigkeit und Qualifikation. Aus volkswirtschaftlicher Perspektive ist OSS ein ungeheurer gesellschaftlicher Reichtum. Die Verwertung dieser neu entstandenen Allmende gibt interessante Impulse für eine wirtschaftliche Perspektive jenseits der multinationalen Konzerne. Gleichzeitig gerät Freie Software unter zunehmenden Druck durch rücksichtslose Kommerzialisierung und durch gezielte Angriffe der traditionellen Softwareindustrie.


Begriffsbestimmung

Freie Software zeichnet sich im Wesentlichen durch drei charakteristische Merkmale aus: 1. Sie liegt in einer für den Menschen lesbaren und verständlichen Form vor. In der Regel handelt es sich bei dieser Form um die Quelltexte einer höheren Programmiersprache, beispielsweise C, C++, Pascal oder ähnliche. Diese Quelltexte müssen vor der eigentlichen Anwendung durch einen Compiler in eine binäre Form gebracht werden, um vom Computer ausgeführt werden zu können. Binärprogramme sind für den Benutzer im semantischen Sinne nicht lesbar. 2. Sie darf beliebig kopiert und weitergegeben werden. Für Freie Software gibt es keine Nutzungsbeschränkungen, weder bezüglich der Anzahl der Benutzer noch bezüglich der Anzahl der Installationen. Mit der Vervielfältigung und der Verbreitung Freier Software sind auch keine Zahlungsverpflichtungen gegen einen Lizenzgeber verbunden. 3. Sie darf verändert und in veränderter Form weitergegeben werden. Freie Software ``lebt'' förmlich von der aktiven Beteiligung der Anwender an der Entwicklung. Unter Wahrung der Urheberrechte der Autoren bietet sich Freie Software zum Lernen, Mitmachen und Verbessern an. Wegen der Ähnlichkeit mit dem Begriff ``Freibier'' und der damit verbundenen Reduzierung auf den Aspekt der kostenlosen Lizenz kommt es immer wieder zu Diskussionen und Mißverständnissen über den eigentlichen Charakter der Freien Software. Vor diesem Hintergrund hat sich in einigen Kreisen ein neuer Begriff etabliert, OpenSource Software (OSS), der im wesentlichen Software mit den gleichen Merkmalen beschreibt. Weil in dem Begriff OpenSource Software mit seiner oberflächlichen Reduzierung auf die erste charakteristischen Eigenschaft, dem Vorliegen des Quelltextes, wiederum ein Potential für Mißverständnisse liegt, wird der Begriff von anderen Kreisen abgelehnt. In diesem Artikel werden beide Begriffe Synonym verwendet. Die Betrachtung wirtschaftlicher Aspekte Freier Software erfordert fast zwangsläufig den Vergleich mit Software, welche die oben genannten Charakteristika nicht erfüllt. Zur Vereinfachung wird die Allgemeinheit dieser Software in diesem Artikel als Proprietäre Software (PS) bezeichnet.


1 Technologie und Produkt

Traditionell bestimmt sich der Preis einer Ware aus den Faktoren Angebot und Nachfrage. Da die Freie Software per Definition beliebig kopiert und verteilt werden darf, und weil die Reproduktion im Zeitalter von CD-ROM und Internet mit keinen nennenswerten Kosten verbunden ist, wird das Angebot beliebig groß. Der Preis für die Software muß demnach selbst bei überwältigender Nachfrage beliebig klein werden. In der Realität befindet er sich tatsächlich auf dem Niveau des Selbstkostenpreises für die Reproduktion. Einen Internetanschluß vorausgesetzt ist Freie Software ohne zusätzliche Kosten erhältlich. Wenn die Marge bei der Vermarktung von OSS bereits vollständig für die Distribution verbraucht wird, ergibt sich zwangsläufig die Frage nach der Motivation der Entwickler. Schlimmer noch könnte man nach dem harten Schicksal der programmierenden Hungerkünstler fragen. Die Masse der unbestritten hochwertigen Software, die als OpenSource verfügbar ist, deutet entweder auf einen menschenverachtenden Verschleiß an kreativem Potential hin, oder die Freie Software entsteht unter Bedingungen, die außerhalb der geldzentrierten Marktwirtschaft angesiedelt sind. Realistisch betrachtet ist der Prozeß, in dem Freie Software entsteht, tatsächlich sehr verschwenderisch. Unter den vielen Millionen Zeilen Programmtext, die als Freie Software im Internet verfügbar sind, hat es nur ein winziger Bruchteil zu echtem Ruhm gebracht. So gesehen wird bei der Entwicklung Freier Software enorm viel kreative Energie verschwendet. Für eine ruhmreiche Zeile werden vielleicht hundert Zeilen geschrieben, die vermutlich schnell in Vergessenheit geraten werden. Trotzdem ist die Entwicklung von OSS keine Fronarbeit, sie geschieht freiwillig und mit großem Entusiasmus. Die Entwickler erhalten offenbar anstelle von Geld einen anderen Gegenwert für ihre Arbeit. Nur so ist zu erklären, daß die Summe der berühmten Zeilen Freier Software größer ist, als das ruhmreiche Aufgebot jedes einzelnen Herstellers Proprietärer Software.


1.1 Schöpfung

Die Entstehung Freier Software ist das Resultat der Arbeitsleistung von Programmiererinnen und Programmieren, darin unterscheidet sie sich nicht von ihrem proprietären Pendant. Für die schaffenden Personen handelt es sich aber nicht nur um Lohnarbeit, sondern subjektiv vor allem um einen schöpferischen Akt, unabhängig davon in welchem Auftrag und mit welcher Bezahlung die Arbeit geleistet wird. Der Überfluß an Freier Software ensteht einfach deshalb, weil dieses schöpferische Element einen Wert an sich darstellt. Die Freie Software ist zunächst das Werk, das durch einen kreativen Akt entsteht. Im zweiten Moment wird die Freie Software zum öffentlichen Gegenstand. So kann es bewundert, kritisiert, verbessert und schließlich auch angewendet werden. Die Freigabe des Werkes als OSS ist ein Signal. Es dient wesentlich zur Kommunikation: indem das Werk veröffentlicht wird ist die Person sichtbar. Für viele Programmierer befriedigt die Freigabe eines eigenen Werkes auch das Bedürfnis, etwas zurück zu geben. In jedem Fall ist die Herstellung einer Software mit einem Lernprozeß verbunden. Bei Freier Software ergibt sich die Möglichkeit des kollektiven Lernproßesses. OpenSource kann öffentlich diskutiert werden und die Entwickler können voneinander lernen. Im Unterschied zu den auftrags- und termingebundenen Entwicklungsarbeiten für Proprietäre Software können bei OSS die Ideen bis ins Detail ausdiskutiert und optimiert werden. Der Entwicklungsprozeß für Freie Software gleicht der natürlichen Evolution. In sehr schnellen Zyklen wird Freie Software wiederverwendet (Vererbung), modifiziert (Mutation) und benutzt (Selektion). Untaugliche Entwicklungen werden von den Anwendern gnadenlos verworfen und die Entwickler scheuen sich nicht, mehr als die Hälfte der Codezeilen neu zu schreiben, um einen neuen und besseren Ansatz zu verfolgen.


1.2 Produktion

Die finanzielle Grundlage, auf der die Arbeitsleistung für freie Programmierung erbracht wird ist als wirtschaftlicher Aspekt nicht so einfach und pauschal zu fassen, wie die Umstände der Programmierung proprietärer Programme. Die genaue Motivation und die finanziellen Grundlagen freier Entwicklungsarbeit verdienen nähere Betrachtung, sind aber nicht Gegenstand dieses Artikels. Aus eventuell festzustellenden verschiedenen wirtschaftlichen Voraussetzungen erklärt sich noch nicht der fundamental unterschiedliche Charakter von Freier und Proprietärer Software. Dieser Unterschied tritt erst in der Verwertung des entstandenen Werkes deutlich hervor: Proprietäre Software ist ein Produkt während Freie Software im Wesentlichen im Status der reinen Technologie verbleibt. Die proprietäre Software wird von einem Unternehmen produziert, mit dem unmittelbaren Ziel es zu vermarkten. Design und Implementierung sind hier Teil eines umfassenderen, unternehmensinternen Prozesses. Sämtliche Produktionsschritte sind profitorientiert und auf die Anforderungen des Marktes ausgerichtet. Zum Schutz der in die Programmierung geflossenen Investition wird dem Nutzer respektive dem Kunden selbstverständlich das Kopieren und Weitergeben der Software ebenso verboten wie das Reverse Engineering oder andere Formen der Erhellung verborgener innerer Vorgänge des Programms. Freie Software hingegen wird einfach veröffentlicht und verteilt. OSS existiert vom Moment der Veröffentlichung an unabhängig vom Erzeuger. Es gibt eine Art Eigenleben, das die Fortentwicklung in einem eher organischen Prozeß ermöglicht. Die Freie Software verläßt die unternehmensinterne Kontrolle häufig in einem Stadium, in dem sie noch nicht marktfähig ist. Die Erfahrung zeigt, daß wegen der immer kürzeren Produktzyklen auch Proprietäre Software häufig nicht ganz ausgereift auf den Markt geworfen wird. Auch die höhere Kontrolle des Entwicklungsprozesses propietärer Software kann weder die Qualität noch termingerechte Fertigstellung oder die Einhaltung des Kostenplans sicherstellen. Vor diesem Hintergrund ist eine wachsende Bereitschaft in der Industrie festzustellen, sich auf das Experiment einer OSS Entwicklung einzulassen.


1.3 Marketing

Obwohl Freie Software nicht als Produkt am Markt erscheint, hat sie doch erhebliche Marktwirkung. OSS verbreitet sich schnell und in maximaler Breite bei einem technisch qualifizierten und hochmotivierten Publikum. Mit Freier Software können deshalb technisches KnowHow ebenso effektiv verbreitet werden wie neue Produkt- oder Markennamen oder einfach ein modernes Image. Die kostenlose Verbreitung von Software wird auch unabhängig von Freier Software als Marketingstrategie von Serviceanbietern oder zur ``Anfütterung'' des Marktes für aufwendige Softwaresysteme genutzt. OSS bietet zusätzlich die Möglichkeit, freie Ressourcen aus dem Interent in die Weiterentwicklung der Software zu integrieren und so innovative Impulse aufzunehmen und die Kosten zu senken. Die Medienwirkung und das Image von OSS bietet Existenzgründern und kleinen Unternehmen die Chance, schnell und kostengünstig eine große Sichtbarkeit im anvisierten Marktsegment zu erzielen. Die Imagewirkung wird zunehmend auch von den etablierten Anbietern genutzt, vor allem im UNIX-basierten Servermarkt. Dabei spielt sicher die bei den Technikern sinkende Popularität von Microsoft eine Rolle. Unabhängig davon verbindet sich in dem öffentlichen Bild von OSS das Vertrauen in die bewährte und solide UNIX Technologie mit Jugend, Dynamik und Fortschritt.


1.4 Standardisierung

Bei der Entwicklung der modernen Netzwerktechnologien hat Freie Software eine entscheidende Rolle gespielt, lange bevor sie durch Linux oder Apache in das Licht der breiten Öffentlichkeit gerückt ist. Die Netzwerkprotokolle, auf denen der Datentransfer zwischen UNIX, BSD, Linux, dem Internet und zunehmend auch den Microsoft Betriebssystemen beruht, sind als offene Standards in den sogenannten RFC Dokumenten beschrieben. In der Regel gibt es zu den Standards Referenzimplementationen in Freier Software. Als OSS können die Standards schnell ihre Praxistauglichkeit unter Beweis stellen und sich schnell maximal verbreiten. Das Akronym RFC steht für ``Request For Comment'', jedes dieser Dokumente durchläuft einen öffentlichen Entwicklungszyklus vom Vorschlag bis zum akzeptierten Standard. Die Entstehung des Internet und die Durchsetzung der Internet-Protokolle auch für lokale Netzwerke gegen alle Proprietären Ansätze und gegen das akademische OSI-Modell belegt die Praxistauglichkeit des offenen Entwicklungsmodells.


2 Geschäfte mit OSS

Der technologische Erfolg von Freier Software hat in der Praxis ein ganzes Spektrum verschiedener Geschäftsmodelle hervorgebracht, in denen OSS eine mehr oder weniger zentrale Rolle spielt.


2.1 Distributionen

Da Freie Software beliebig kopiert und verteilt werden darf, ist jedes Programm für sich genommen zur klassischen Vermarktung ungeeignet. Wegen der hohen Nachfrage hat sich trotzdem ein Markt für Freie Software entwickelt: in sogenannten Distributionen oder Archiven bieten Firmen Freie Software auf CD (früher auf Diskette) an. Durch ein jeweils spezifisches Installationsprogramm, durch Dokumentation, Verpackung, Werbung, Installationssupport und ähnliche Leistungen wird die Freie Software zu einem marktfähigen Produkt. Für die Käufer ersparen solche Sammlungen die Recherche im Internet und die bei den eventuell sehr großen Datenmengen aufwendige Übertragung per DFÜ. So hat sich für CDs, mit denen die großen Mengen Freier Software aufbereitet und allgemein zugänglich gemacht werden, ein nennenswerter Wiederverkäufermarkt entwickeln können. Prototypen für Anbieter, die diesen Markt bedienen, sind die Linux-Distributoren und Firmen wie Walnut Creek und PrimeTime Freeware. Eine besondere Rolle spielt in Deutschland bei der Vermarktung Freier Software der Buchhandel. Die Fachbuchhandlungen für EDV Literatur haben sich schnell als Channel für die Vermarktung von OSS etabliert. Diese Entwicklung wurde begünstigt durch den Bedarf an begleitender Fachliteratur für die Anwendung Freier Software, die typischerweise im Fachbuchhandel nachgefragt wird. Mit dem massenhaften Aufkommen der CDs zur Softwaredistribution hat sich der Buchhandel auch über die OSS hinaus zu einem wichtigen Vermarktungskanal für Computerprogramme entwickelt.


2.2 OSS als Add-On

Während bei Distributionen und Archiven aus Freier Software durch Hinzufügen einer spezifischen Leistung ein Produkt wird, nutzen andere Firmen Freie Software zur Aufwertung eigener, proprietärer Produkte. So wird beispielsweise der Apache Webserver von IBM zusammen mit ihren Serversystemen ausgeliefert. Für SCO-UNIX gibt es die sogenannte Skunkware-CD, auf der Freie Software für dieses Betriebssystem verteilt wird. Bei vielen Computerfachbüchern werden CDs mitgeliefert, auf denen Freie Software als Added Value enthalten ist.


2.3 OSS als Basistechnologie

Über den Charakter als nützliche aber im Wesentlichen nebensächliche, kostenlose Beigabe wird OSS auch als Basistechnologie für umfangreichere Systeme verwendet. Für Cobalt Micro war Linux der Schlüssel, der den Servermarkt für eine neue Hardwareplattform geöffnet hat. SGI ersetzt Irix durch Linux und hofft auf diese Weise Synergieeffekte nutzen zu können. Auf ähnliche Weise ist OSS für Anbieter von standardisierten Branchenlösungen interessant. Die Betriebssystemplattform und Softwareumgebung sind für die Kunden unwesentliche aber eventuell kostenrelevante Nebenleistungen des eigentlichen Geschäfts. An dieser Stelle werden Linux und die freien BSD Derivate von den Softwarehäusern zu einem Wettbewerbsvorteil genutzt.


2.4 Kundenspezifische Softwareentwicklung und Projekte

Trotz des breiten Angebots an fertigen Softwareprodukten für die unterschiedlichsten Anwendugen gibt es weiterhin einen erheblichen Bedarf an individueller Softwareentwicklung. Für kleine und junge Softwarehäuser bietet die Verwendung von OSS als Basis für eigene Entwicklung große Vorteile. Der kooperative Ansatz, mit dem OSS im Internet entwickelt wird, ermöglicht Synergieeffekte. Während die tradionellen Softwarehäuser die Sourcen zu ihrer Proprietären Software als Kapital betrachten, aus dem sie den maximalen Profit ziehen wollen, sind bei der Entwicklung von OSS Wissen und Erfahrung das eigentliche Kapital. Während im tradionellen Ansatz an der technologischen Basis festgehalten werden muß, kann bei der Programmierung von OSS von Projekt zu Projekt auf völlig unterschiedliche Plattformen und Frameworks zurückgegriffen werden. Bei größeren und aufwendigeren Projekten ermöglicht das OSS-Modell die Integration fremder Entwickler ohne zusätzliche Kosten.


2.5 Dienstleistung

Während die Profitrate für Produkte im schnelllebigen und vom internationalen Konkurrenzdruck belasteten Markt rasant fallen, behalten qualifizierte und individuelle Dienstleistungen einen stabilen Wert. Freie Software bietet technologisch hochwertige und innovative Lösungen. Inwieweit die Verwertung von OSS tatsächlich komplizierter ist als die Nutzung äquivalenter PS bleibt zu untersuchen. In jedem Fall sind Einführung und Anwendung von OSS mit Aufwand verbunden, der mit zunehmender Beliebtheit von OSS von den Kunden nicht mehr ausschließlich InHouse geleistet werden kann. In der Vergangenheit wurde Freie Software üblicherweise von Technikern in den Unternehmen eingeführt um ein bestimmtes Problem zu lösen. Häufig geschah das ohne Wissen des Managements, gelegentlich sogar gegen die Vorgaben. Mittlerweile hat OSS den Massenmarkt erreicht und das Management ist bereit, OSS als Option in die DV-Landschaft einzubeziehen. Gleichzeitig werden die Techniker, die mit der Einführung und Administration von Linux in den Unternehmen beschäftigt waren, mit neuen Aufgaben betraut. In den Unternehmen entsteht ein Bedarf an zusätzlichen Ressourcen. Auf diesem gerade neu entstehenden Markt haben sich bereits einige junge Unternehmen angesiedelt. Die zukünftige Bedeutung dieses Marktes läßt sich erahnen, wenn man betrachtet wie zum Beispiel IBM dabei ist das neue Potential zu erschließen. Das Angebot an Services rund um Freie Software deckt von Beratung über Installation, Support, Wartung und Schulung das gesamte Spektrum möglicher Dienstleistungen ab.


2.6 Der Markt in Zahlen

Da Freie Software beliebig kopiert und installiert werden kann, gibt es keine genauen Zahlen über Benutzer, Marktanteile und Installationen. Den wachsenden Bedarf an Zahlenmaterial zu diesem Thema bedienen Marktforschungsunternehmen wie IDC oder Gartner Group mit einer Vielzahl von Studien. Leider kann der Inhalt dieser Studien aus Kostengründen nicht für diesen Artikel genutzt werden. Zur allgemeinen Orientierung gibt es einige freie Informationsquellen im Internet, aus denen ungefähre Werte abgeleitet werden können. Der internationale Linux-Counter gibt als Schäzung eine Zahl von 10 Millionen Linux-Benutzern an. Der Internet Operating System Counter führt im April 1999 Linux mit einem Anteil von 28,5% der internationalen ftp/news/www Server auf Platz 1 der Server-Betriebssysteme. Die BSD-Familie belegt mit 15% zusätzlich den Platz 4. In der Serverstatistik für Deutschland liegt der Anteil der Linux-Rechner mit 42,7% und der BSD-Rechner mit weiteren 8% in der Summe noch ein gutes Stück höher. Die gleiche Tendenz wird von einer Datapro-Studie bestätigt, die von Mary Hubley im Oktober 1997 öffentlich vorgestellt wurde. Danach wurden in 14% der befragten Unternehmen Linux eingesetzt, in Deutschland war der Anteil mit 27% deutlich höher. In einem Artikel von Stephanie Miles (CNet.com) wird Dan Kusnetsky von IDC zitiert, der Linux ein größeres Wachstum prognostiziert, als das aller anderen Betriebssysteme zusammengenommen. In 1998 wird eine Zahl von 748.000 verkauften Linux-Systemen genannt, was einen Anteil von 17% des gesamten Server-Marktes ausmacht. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Verkaufszahlen um 230% gestiegen und die aktuellen Umsatzzahlen von SuSE belegen die optimistischen Wachstumsprognosen wenigstens für das laufende Jahr.


3 Gebrauchswert

Die zentrale wirtschaftliche Bedeutung Freier Software liegt in ihrem Gebrauchswert. Dabei geht es nicht einfach um gesparte Lizenzgebühren, die Total Cost of Ownership ist auch bei Freier Software nicht Null. Freie Software erfüllt viele Bedürfnisse der Anwender, die von proprietären Produkten vernachlässigt werden.
  • Selbständige und schnelle Lösungen


  • Die Systemverwalter und Anwender können sich aus dem Pool Freier Software selbständig bedienen. Sie sind in der Lage, ohne den Umweg über den eventuell aufwendigen Einkauf eine Lösung für ein aktuelles Problem zu Installieren.


  • Seriöse Leistung


  • Viele Anwender sind von den mit überflüssiger Funktion überladenen proprietären Programmen enttäuscht. Anstelle von vollmundigen Versprechungen von Marketingleuten gibt es bei Freier Software zuverlässige und überschaubare Leistung. Wirklich sinnvolle Features werden auch in Freier Software implementiert, wenn die Anwender nur genug danach fragen (oder eigene Initiative für die Weiterentwicklung ergreifen).


  • Kooperative Hilfe


  • Anstelle von teurem und im echten Problemfall auf die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen nicht zugeschnitten Support der Hersteller gibt es zu Freier Software praktisch immer Hilfe im Internet.


  • Individuelle Anpassung und Weiterentwicklung


  • Freie Software ermöglicht es den Anwendern, die Programme tatsächlich auf die individuellen Anforderungen anzupassen. Dabei steht es den Anwendern ihre eigene Qualifikation einzusetzen oder die Unterstützung bei externen Beratern und Programmieren zu suchen. Bei Freier Software können Veränderungen an den Programmen auch ohne Mitarbeit des Herstellers durchgeführt werden. In der Regel sind die ursprünglichen Programmierer aber zur Zusammenarbeit bereit.


  • Investitionssicherheit



  • Freie Software ist unabhängig von Produktzyklen, Marktkonzentration und Insolvenzen. Die kontinuierliche Entwicklung kann durch immer neue Generationen von Programmieren aufrecht erhalten werden.


  • Eigene Qualifikation und Emanzipation


  • Freie Software fordert zum Ausprobieren und zum Lernen heraus. Dabei vermittelt sich duch Freie Software neben dem Wissen über die Anwendung auch das Wissen über die der Anwendung zugrundeliegende Technologie.



4 Zukunft

Freie Software bietet eine fruchtbare Grundlage für eine dynamische Entwicklung des IT-Angebotes in Deutschland. Offene Standards und OpenSource ermöglichen es jungen und kleinen Unternehmen, innovative Technologien mit überschaubaren Investitionen zu realisieren. In der Umgebung Freier Software verbreiten sich neue Ideen schnell und bewähren sich in kürzester Zeit im produktiven Einsatz. Neue Standards werden durch erfolgreiche Praxis durchgesetzt und technischer Fortschritt schneller umgesetzt. Insbesondere im Bereich Internet, Kommunikation und E-Commerce eröffnet Freie Software neue Perspektiven. Für Existenzgründer bieten sich besonders interessante Möglichkeiten durch die Verwendung von OSS. Nachdem Freie Software in Forschung und Lehre besonders gerne verwendet und hergestellt wird, haben gerade die am besten qualifizerten Informatiker der letzten Jahrgänge gute und fundierte Erfahrungen mit Freier Software. Zusätzlich werden viele technisch interessierte Anwender durch OSS zur autodidaktischen Weiterbildung motiviert. Durch die wachsende Zahl hochmotivierter Fachkräfte wird sich OSS im industiellen Einsatz etablieren und ausbreiten. Insbesondere im Bereich von Dienstleistungen rund um den Einsatz von Freier Software gibt es ein großes Wachstumspotential. Für die etablierten Unternehmen, deren Management meistens noch unbeirrt auf strategischen Entscheidungen für bestimmte proprietäre Produkte beharrt, kann sich in kürzester Zeit die Notwendigkeit zum Umdenken ergeben. Die starke Verbreitung von Freier Software in den Unternehmen ist durchweg auf die Initiative der Techniker zurückzuführen. Der Motor für diese Entwicklung ist die mangelhafte Qualität und das bei den Technikern schlechte Image vieler Proprietärer Software. Bei der derzeitigen Situation auf dem Arbeitsmarkt kann die Haltung des Management zu OSS ein entscheidendes Kriterium für die Besetzung offener Stellen oder gar die langfristige Bindung hochqualifizierter Mitarbeiter werden.


4.1 Steine am Weg

Das Erscheinen von OSS auf dem kommerziellen Softwaremarkt erzeugt keineswegs allgemeine Begeisterung. Freie Software wird zu einem Faktor im Kampf um Marktanteile und Profite. Da ist es nicht verwunderlich, wenn Konzerne wie Microsoft ernsthaft daran arbeiten, die Ausbreitung von OSS einzudämmen. In dem als Halloween-Dokument bekannten Positionspapier von Microsoft zu OpenSource und Linux werden insbesondere die Bereiche Standardisierung und Softwarepatente genannt, in denen strategische Angriffspunkte gegen OSS gesucht werden. Insbesondere Patente werden vom Rechtsstaat klassischerweise zum Schutz der Investition und des geistigen Eigentums gewährt. Gleichzeitig gilt aber auch das Recht der Allgemeinheit auf Informationsfreiheit. Der freie Ideenaustausch im Internet bringt wissenschaftlichen und technischen Fortschritt. Damit die als Freie Software entstehenden Technologien und die damit verbundenen Werke nicht durch Softwarepatente okkupiert und deren weitere Verbreitung verhindert werden, muß die Rechtslage den neuen Bedingungen angepaßt werden.


4.2 Unaufhaltsam

Die Entwicklung Freier Software hat ihren Ursprung außerhalb der klassischen Umgebungen von Produktion und Markt. In diesem Umfeld taucht sie als relevante Größe erst durch ihre positiven qualitativen und quantitativen Eigenschaften auf. Der dynamische Prozeß der Entstehung von OSS läßt sich weder zurückdrehen noch gänzlich aufhalten. In dem Maße wie Angebot und Qualität Freier Software weiter wachsen, wird auch die wirtschaftliche Bedeutung sowohl auf Seite der Anbieter als auch bei den Anwendern stetig steigen. OSS wird Proprietäre Software sicher nicht vollständig ersetzen, sie wird aber den Markt für Standardsoftware umwälzen. Die allgemeine Markttendenz von der Produktorientierung hin zur Serviceorientierung wird durch den wachsenden Einsatz Freier Software beschleunigt.


4.3 Grenzenlos

Das Entwicklungsmodell für OSS ist in der Lage, kreative und produktive Ressourcen zu erschließen, die wegen der Konzentration der softwareproduzierenden Unternehmen (vor allem in den USA) bisher an den Rand gedrängt waren. Mit der Ausbreitung des Internet kommen ständig neue Impulse zur Verbesserung und Weiterentwicklung der OSS. Die große Beliebtheit von OSS in Deutschland und die hohe Zahl der OSS-Entwickler und -Entwicklungen in Europa sind ein deutliches Zeichen dafür, daß die innovative Kraft überall vorhanden ist. Die Zukunft der Informationstechnologie liegt nicht in einem kalifornischen Tal sondern in den Weiten des Internet.


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