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 WOS 1 / Proceedings / Panels / 1. Von den Quellen des Sourcecodes / Claus Kalle / report

Das frühe Internet als Katalysator für Open Source-Software.
Zusammenfassung von Ulrich Gutmair

Claus Kalle beleuchtet die Frage nach ökonomischen und im weitesten Sinne gesellschaftlichen Einflüssen auf die Entwicklung sprachlicher Standards im Sinne einer Durchsetzung von praxisorientierten Notwendigkeiten von der anderen Seite her: Der Einsatz von TCP/IP mußte in Deutschland gegen eine von oben verordnete Doktrin herstellerunabhängiger Protokolle erkämpft werden. Die Internet-Anfänge in ´Deutschland´, bzw. in deutschen Universitäten begannen auf der Basis des teuren Datex-P und des European Academic Research Networks EARN, das als Standleitungsnetz mit Gateway ins US-Internet organisiert war. Über Store-and-Forward konnten Daten verschickt werden. 1988 wurde EUnet von UUCP (Unix-to-Unix-CoPy) auf direkten IP-Kontakt zum Internet erweitert. In Deutschland wurden die Tests auf dem NRW-Rechnerverbund (X.25) gefahren, und zum ersten Mal wurden so die Usenet News und Internet-Mail über den Zugang zu FTP-Servern benutzbar.

Der Verein zur Förderung eines deutschen Forschungsnetzes (DFN-Verein) bot aber erst 1991 Internetdienste auf dem Wissenschaftsnetz WiN an, als mit Archie, Gopher und WAIS die Akzeptanz von TCP/IP weiter stieg. Der Grund für die zögerliche Einführung von TCP/IP in Deutschland lag in einer etatistischen Vorstellung der Regelung von Protokollen und Standards von oben, namentlich in Gestalt des DFN und des Bundesministeriums für Forschung und Technik. Die von letzteren favorisierten OSI-Protokolle stellten sich zwar schnell als zu komplex und praxisfern heraus, wurden aber nichtsdestotrotz intensiv politisch und finanziell gefördert. Die dahinterliegende Idee einer stabilen Implementation als Basis einer herstellerunabhängigen Vernetzung wurde dabei ´vor Ort´ als prinzipiell lobenswert erachtet. Die Crux von OSI war schlicht, daß konkrete, funktionierende Lösungen im Rahmen OSIs nie wirklich erstellt wurden.

Kalle sieht den Kampf der Protokolle heute in einer neuen Runde als TCP/IP versus ATM fortgeführt, in der die "connection orientation" ATMs wider besseres Wissen gegen das "connectionless"-Konzept TCP/IPs in Anschlag gebracht werden soll. Die gelernten Lektionen des langen deutschen Wegs ins Internets faßt Kalle schließlich in knappen Dichotomien zusammen:
simple vs. complex
kooperativ vs. staatlich verordnet
praktisch vs. theoretisch orientiert

Das Usenet als durch Kooperation organisiertes, nicht-hierarchisches System funktionierte laut Kalle auch ohne Weisung von oben. Es könnte also kein besseres Beispiel geben für seine abschließende Forderung, in Zukunft staatliche Förderung nicht an vorgegebene Ziele zu knüpfen, sondern den Selbssteuerungsmechanismen von Programmierercommunities überlassen werden. Mit anderen Worten: Laßt die Prinzipien des Open Source Einzug halten in staatliche Förderungspolitik.


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