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Eröffnungsrede Thomas Krüger


Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich begrüße sie ganz herzlich im Namen der Bundeszentrale fuer politische Bildung zu diesem bemerkenswerten Kongress.

Das Anliegen dieses Kongresses und die Aufgaben der bpb haben einige Gemeinsamkeiten. Wir haben uns deshalb sehr gern an der Ausrichtung dieser einzigartigen Veranstaltung beteiligt. Dieses Treffen hat eine Entwicklung zum Gegenstand, die durchaus technologisch vorangetrieben wird, die aber Auswirkungen in alle gesellschaftlichen Bereiche hat und weiter haben wird.

Um die gesellschaftlichen Chancen, die uns die technologischen und wissenschaftlichen Entwicklungen bieten, wahrzunehmen und zu nutzen, müssen wir auf der Höhe ihrer Möglichkeiten bleiben. Das heisst, das wir ein Maximum an gestalterischer und sozialer Phantasie aufbringen bzw. zulassen müssen. Und dabei dürfen und können wir uns nicht auf die Kräfte des Marktes allein verlassen. Die Balance zwischen privaten und öffentlichen Nutzungsformen wird durch die hier wirkenden Kräfte immer wieder in Frage gestellt und neu gestaltet werden müssen.

Schon im verkabelten Internet wird das ja anhand der Urheberrechtsfragen sehr deutlich. Hier hat sich aber auch gezeigt, dass sich mit Entwicklungen wie Freier Software, sogenannten Peer-to-Peer Netzwerken u.a. eine grundlegende soziale und politische Dimension dieser Neuen Informations- und Kommunikationstechnologien zu Wort meldet. Die darin breit angelegte Möglichkeit der Aufhebung der strikten Trennung von Sender und Empfänger hat große Schnittmengen mit der politischen Idee des mündigen Bürgers. Und viele politische Bewegungen nutzen ja diese technischen Möglichkeiten. Einige der Nutzungsformate sind dadurch überhaupt erst entdeckt worden. Insofern ist die Verallgemeinerung der Medienkompetenz und der sozialen Phantasie bzw. Kreativität beim Einsatz der Medien auch eine soziale und politische Frage der Zukunft.

Dazu gehört auch die Verbindung von Informationsfreiheit und gestalterischer Freiheit. Der gleichberechtigte und freie Zugang zu wichtigen Informationen für alle, wie sie ihn z.B. in der Gutenberg-Galaxis die öffentlichen Bibliotheken gewährleisten, ist das eine. Die Gewährleistung der notwendigen Freiräume, um den ganze Ideenreichtum bei der Gestaltung unserer Informationsumwelt und -architektur zur Geltung zu bringen, ist das andere. Monopole machen an dieser Stelle nicht nur bequem, sondern auch dumm, sie machen uns alle ärmer. Allein schon wenn wir uns nicht mehr vorstellen können sollen, dass es auch anders geht. Denn ohne Wettbewerb und ohne freien Austausch der Informationsgüter geht es nicht bzw. das führte in eine andere, wohl eher feudale und undemokratische Gesellschaft.

Hier setzt auch die Initiative der "Creative Commons" an, die durch Professor Lawrence Lessig ins Leben gerufen wurde und inzwischen in vielen Ländern Unterstützung gefunden hat. Mit dem Start einer deutschen Version dieser auf das Allgemeininteresse zielenden Regelung der Verwertungsrechte hat diese Konferenz zweifellos ein wichtiges Highlight. Für die bpb wird das ein Anlass sein, sehr konkret zu prüfen, wo und wie wir diese Lizenz auch für unsere eigenen Produkte einsetzen können.

Auch in anderen Themenbereichen dieser Tagung hat die bpb in den letzten Jahren einiges unternommen. Das bei uns erschienene Buch von Volker Grassmuck zum Thema "Freie Software" ist mittlerweile über zehntausendmal verkauft worden und gilt inzwischen als Standardwerk zu diesem Thema. Dieses und weitere Publikationen finden sie an unserem Bücherstand im Foyer. Unsere publizistische Arbeit wird sich der Diskussion um eine politische Gestaltung der sogenannten "Wissensgesellschaft" auch weiterhin widmen.

Auch in unserer technischen Infrastruktur haben wir den Einsatz offener Standards und Freier Software konkret vorangetrieben, das reicht von unseren Internetangeboten bis hin zu der IT-Infrastruktur. Noch in diesem Jahr planen wir den Umstieg auf eine alternative Office Anwendung. Wir sind damit beileibe nicht allein im öffentlichen Sektor. Seit November 2001 gibt es einen Beschluss des deutschen Bundestages, der die Bundesregierung auffordert, "Open Source Software zu fördern und alle Voraussetzungen zur Einführung von Open source in der Bundesverwaltung zu schaffen". Da ist einiges geschehen, vieles bleibt noch zu tun. Wie das in anderen Ländern geschieht, wird ebenfalls Thema dieser Veranstaltung sein und uns sicher einige Anregungen für unsere konkrete Arbeit geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Veranstaltung ist aus mindestens zwei Gründen einzigartig.

Zum einen ist ihr interdiszplinärer Charakter einzigartig. Techniker, Juristen, Polititiker, Sozialwissenschaftler und Künstler u.v.a sind in den nächsten Tagen um ein Themenfeld versammelt, das nachvollziehbar präzise genug gewählt ist, um wirkliche Ergebnisse zu versprechen. Viele von Ihnen werden einige Überraschungen erleben, sie werden zum Beispiel merken, wie politisch oder kulturell bedeutsam ihr vermeintlich rein technisches oder juristisches Projekt ist.

Zum anderen ist das Themenfeld selbst einzigartig. Man kann es fast als einen archimedischen Punkt der Debatte um die Zukunftsoptionen unserer Gesellschaften bezeichnen: Wie gehen wir mit dem Gut Wissen und Informationen um?

Es geht dabei letztlich um die Frage, in welcher Gesellschaft wir leben wollen bzw. werden. (Ein anderer archimedischer Punkt unserer Zukunftsdebatten ist meines Erachtens die Frage, wie wir mit der "Konstruierbarkeit" menschlichen Lebens in Zukunft umgehen wollen und werden.) Und dabei spielt die Balance zwischen öffentlichem und privatem Umgang mit Wissen und Informationen die entscheidende Rolle.

Diese Balance hat in der Vergangenheit ein fragiles, aber verlässliches Dasein geführt. Sie ist aber nicht selbstverständlich. Und angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre kann man sagen sie ist in Gefahr. Diese Tagung wird zeigen, dass man dennoch sagen kann: diese Gefahr kann gebannt werden. Und mehr als das. Die Chancen, die in der richtigen sozialen Balance stecken, sind enorm. Sie könnten durchaus zu den Sonnenseiten der Globalisierung zählen. Wenn es uns gelingt, den "Planeten der Freiheit", wie er in der Einleitung zu dieser Tagung bezeichnet wird, Wirklichkeit werden zu lassen. Wenn wir diesen emphatischen Begriff der Freiheit Gestalt geben. Eine Freiheit, die sich aus der sozialen Intelligenz von Vielen speist. Und die stärker sein wird als alle künstlichen Grenzziehungen und Monopolstellungen im Angesicht des unermesslichen Reichtums menschlichen Wissens und des unstillbaren Informationshungers.

Ich danke allen Organisatoren und Partnern für ihre Unterstützung und ihren Einsatz und wünsche uns allen eine erfolgreiche Konferenz.

Danke.


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