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Lizenzmodelle freier Software



Detlef Borchers


Zur Einleitung der Diskussion bin ich gebeten worden, über die Lizenzmodelle der quelloffenen Software zu sprechen. Jetzt könnte ich natürlich ernst machen und sämtliche Lizenzmodelle vorstellen, die es im Bereich der Open Source-Bewegung gibt. Dazu brauchen wir zwei Stunden, und entweder verlassen Sie den Saal oder Sie sind eingeschlafen. Daher habe ich das ganze gekürzt. Ich werde eine knappe Einführung in die Open Source-Bewegung geben, wie sie historisch entstanden ist und wo sie heute steht.

Das Hauptthema sollte ja sein, ob Open Source ein billiges Outsourcing ist, der billige Jakob, mit dem die Firmen eine Goldader entdeckt haben. Dazu möchte ich einen kurzen historischen Überblick geben, wo die Sache mit Open Source herkommt. In den sechziger Jahren war es so, daß es überhaupt gar kein Copyright gab. Es gab keine Patente für Software. Es gab auch überhaupt nicht einen Begriff von Software als einer mögliche Ware, mit der eine Firma etwas herstellen konnte. Software wurde direkt für die jeweilige Maschine entwickelt, weil sie nur für diese Maschine zu nutzen und außerhalb dieses Kontextes völlig nutzlos war. Innerhalb dieses Bereichs, wo diese Mainframes standen, war das in den sechziger Jahren natürlich eine Open Source-Bewegung. D.h., die Entwickler konnten wirklich mit jeder Idee kommen. Sie bekamen ja den kompletten Source Code für ihre Mainframes mitgeliefert. Es wurde offen entwickelt. Wenn neue Ideen kamen und die verbesserten Sachen aus den Firmen an IBM oder an Burroughs oder an andere gegeben wurden, erstellten die dort Bänder, und diese wurden wieder zu den einzelnen Kunden geliefert. Damals besaßen die Betriebssysteme von DEC und IBM nicht einmal ein Copyright. Das war alles völlig frei.

In den siebziger Jahren kam, ausgelöst durch andere Hersteller, die auch in den Mainframe-Markt gehen wollten, die Diskussion um die Zerschlagung von IBM auf. Es gab eine Voruntersuchung, und die US-Regierung zwang IBM zum Unbundling, d.h. die Software mußte separat verkauft und auch für andere Hersteller von Mainframe-Clones zur Verfügung gestellt werden. Das war einer der ersten Schritte, wo sich die ganze Sache spaltete. Dann gab es eine Untersuchung der CONTU-Kommision [National Commission on New Technological Uses of Copyrighted Works: 1976 aus Ausschüssen des Unter- und Oberhauses zusammengesetzt, empfahl CONTU, daß Computer-Programme zukünftig als 'literarische' Werke unter dem Schutz des Copyright Acts stehen mögen]. Damals wurde in den USA ein neues Copyright-Gesetz herausgegeben. Und diese Kommission empfahl damals schon, Mitte der siebziger Jahre, allen Firmen, ein Copyright auf ihre Software zu beantragen. Darüber gab es eine große Diskussion, historisch ganz interessant, weil viele Firmen das überhaupt nicht einsahen. Die wollten wohl ein Copyright auf einige ihrer Programme machen, aber z.B., -- ein vernünftiger Programmierer kommentiert seinen Programmiercode -- der sollte dann weiterhin öffentlich bleiben. Es wurde damals diskutiert, ob das möglich ist. In den siebziger Jahren hat dann eine andere Entwicklung angefangen. Eine etwas größere Firma als IBM, nämlich die Telefongesellschaft AT&T hat in den Bell-Labs Unix entwickelt. Dieses Betriebssystem Unix wurde verkauft, und zwar an Universitäten. Es gibt Untersuchungen darüber, wie die Bell-Labs angefangen haben, diese seltsame Lizenzpolitik zu machen, die die Distribution an den Universitäten erleichterte. Da gibt es erstaunliche Parallelen zu diesen Telefonlizenzen, die die Bell-Labs auch hatten. Es wurden andere Telefongesellschaften ausgerüstet. Die durften die Software benutzen. Sie war offen, sie konnten sie verändern, sie durften sie aber nicht weiterdistribuieren. Die gleichen Lizenzmodelle findet man im frühen Unix.

In den siebziger Jahren kam auch noch etwas anderes auf, nämlich der Personal Computer, zunächst die Mikros, die kleinen Hobbykisten wie der Altair. Damit beginnt der Aufstieg einer Firma namens Microsoft. Was insofern ganz interessant ist, als damals eine Diskussion ablief, die in der Open Source-Bewegung heute auch stattfindet. 1976 schreibt Bill Gates einen Open Letter to the Hobbyists, aus dem ich hier etwas zitiere: "Ihr klaut unser Altair-BASIC und verhindert damit, daß gute Software geschrieben wird. Für Hardware muß gezahlt werden, aber Software ist etwas, was geteilt werden kann. Wovon werden wir dann bezahlt?" In dem damaligen Modell, nach dem diese Hobbyprogrammierer anfingen, sich mit dem Mikro-Computer, dem späteren Personal Computer zu beschäftigen, war also auch eine Stimmung vorhanden, die Software verteilen wollte. Gleichzeitig war aber noch kein Markt da. Bill Gates ist ja einer der ersten gewesen, der ganz kontinuierlich die Software eingekreist und auch mit dem Altair-BASIC schon angefangen hat, ein Copyright zu erheben. Er hat versucht, Patente anzumelden. Damals durfte Software in den USA noch gar nicht patentiert werden.



Die Stimmung unter den Programmieren damals habe ich mal in Form einer Anzeige hier reinkopiert. Das ist eine Anzeige der Firma MicroPro aus dem Jahre 1981. Die stellte damals Wordstar her. Ganz oben sieht man den Programmierer im Keller im T-Shirt arbeiten, vereinsamt. Und da steigt er die düstere Treppe mit der Leiter herauf: 'Was soll das? Ich möchte eigentlich so gerne bei meinem Computer bleiben, aber ich muß ja in meinen Job gehen.' Die Frau sagt dann: 'Oh, da habe ich eine Anzeige von MicroPro gesehen. Ruf die doch mal an.' Der ruft an, wird als Programmierer eingestellt, und unten im Bild sieht man, wie er auf einer Yacht sitzt, an einem Terminal und weiter Wordstar-Code schreibt. Bezeichnend ist ganz klar, das waren alles einzelne Entwickler. Die Community gab es schon, aber das war die Community der Bastler. Wenn man früher in die USA rüber fuhr, haben die Leute an ihren Geräten mehr gebastelt, als daß sie sich als Programmierer verstanden. Zu diesem Zeitpunkt, also in diesem Wirrwarr von Hardware konnte sich überhaupt nichts durchsetzen, was irgendeine Chance auf Open Source gehabt hätte.

In den achtziger Jahren wird das Copyright-Recht von 1976 von dieser Kommission, die ich erwähnt habe, auf Software ausgedehnt. Ab 1983 wurde dann auch noch die Patentierung von Software möglich. Das hatte zur Folge, daß eine ganze Menge von Prozessen aufkam. Da gibt es berühmte Prozesse, wie z.B. Quarterdeck gegen Microsoft. Quarterdeck (eine Firma, die es heute nicht mehr gibt) hatte ein Patent auf Multitasking, und Microsoft hätte das angeblich mit Windows verletzt. Einige werden sich sicherlich auch noch an die ganzen Copyright-Geschichten um das Look and Feel-Problem erinnern. Lotus überzog dann andere Firmen, die 1-2-3-Clones bauten, mit Prozessen. Apple versuchte, seinen Desktop zu retten, da hat Microsoft prozessiert. Die Firma Wang ist die einzige, die einen Prozeß gewonnen hat, weil sie ein Patent auf diesen Wang-Stylus hatte, also einen Pen, wie man heute sagen würde. Es ist in diesem Kontext natürlich interessant, daß Richard Stallmann, der morgen sprechen wird, 1981 mit der Entwicklung von GNU begonnen hat, also mit Freeware unterhalb des existierenden Unix-Systems, des Unix-'Marktes' an den Universitäten. 1985 wurde die Free Software Foundation gegründet, und 1989 beginnt die Linux-Entwicklung. Die achtziger Jahre waren in dem Sinne auch noch geprägt von dem Aufstieg dieser Firma Microsoft.

Die wichtigsten Sachen passieren dann natürlich in den neunziger Jahren. Zwischen 1991 und 1996 sind ja eine ganze Menge sehr ambitionierter Softwareprojekte gescheitert. Ich hab mal drei aufgeführt: OS/2 von IBM, Taligent, dieses objektorientierte Betriebssystem von IBM und Apple und Copeland war ja auch wieder ein Versuch von Apple, und es gibt noch mehr. Etwa ab 1997 kann man beobachten, daß die ganzen Lizenzmodelle quellen, die für Systeme wie Linux und andere entwickelt wurden. Ich komme gleich noch einmal zu den Modellen. 1998 gibt es eine erste Reaktion auf eine Open Source-Bewegung, die heute wieder aktuell geworden ist und sich UCITA nennt: Uniform Computer Information Transaction Act. Das Ding ist derzeit eine sechshundertseitige dicke Schwarte, die in Zukunft den Verkauf und die Lizenzierung von Software regeln soll. Ich will jetzt nicht zu weit abgleiten vom Thema, aber das ist ein wichtiger Punkt: Firmen wie Microsoft, IBM, Adobe, Lotus u.ä. wollen diese UCITA-Lizenz im normalen Software-Vertrieb einsetzten.

Drei Punkte sind bei UCITA unter dem Gesichtspunkt der Open Source-Bewegung zu beachten. Das eine ist: UCITA verbietet das reverse Engineering in jedem Fall. Das zweite ist: Firmen, die der Meinung sind, daß der Lizenznehmer sich in bezug auf ihre Lizenzpolitik etwas hat zu Schulden kommen lassen, können ihm die Software per Remote-Befehl deinstallieren. Wenn Microsoft oder Adobe sehen, daß die Lizenzen überschritten sind, können sie, nach einem Mahnverfahren, einen Prozeß auf einem Server auslösen, der die Software löscht. Unter dem Gesichtspunkt der Open Source wäre so etwas gar nicht möglich, da man im Besitz des Quellcodes ist. In dem Moment könnte ja jede Firma sehen, wo diese Stricke eingebaut sind, und dann würden die entfernt werden. Das wäre ein völlig sinnloses System. Ich glaube, daß UCITA noch in den nächsten zwei Jahren eine Rolle spielen wird, als ein Modell, womit die klassisch arbeitenden Software-Firmen agieren werden.



Ich wollte jetzt zu Beginn der Lizenzmodelle, die ich nicht alle vorstellen werde, eine Anzeige der Firma Sendmail bringen. Sendmail ist ja nun auch eine Firma geworden. Ich glaube, jeder hier im Saal kennt Sendmail. Es ist insofern interessant, daß da unten drunter steht: 'In dem Moment, wo sie aus der Schule herauskommen, werden 30 von Ihnen richtige Hacker sein und Ihre Server lahm legen.' Das ist die Anzeige des kommerziellen Sendmail-Produktes. Im Kleingedruckten steht: 'Wenn Sie die kommerzielle Version verwenden, sind Sie sicherer, als wenn Sie die Open Source-Version einsetzten.' Man kann sagen, es ist eine Werbestrategie. Fear, Doubt and Uncertainty -- FUD -- ist auch im Rahmen der Open Source-Bewegung möglich. Das heißt, Sendmail vertreibt das kommerzielle Produkt und sagt: 'Das ist viel, viel effektiver und sicherer als die Open Source-Lizenz', die man sich nur zu kopieren braucht.

Sie kennen ganz sicherlich die drei Modelle: Die GNU Public License, die Library Licenseund die Lesser Public License. Das sind sicherlich die Wurzeln von fast allen unterschiedlichen Open Source-Lizenzen. Untendrunter findet man den heute morgen schon angesprochenen Debian GNU/Linux Social Contract, aus dem im wesentlichen die Open Source Definition entstanden ist, die die Open Source-Bewegung jetzt als ihren Standard gesetzt hat.



Wie sieht das die Industrie? Das ist eine Kopie aus der PC-Week von der letzten Woche [ Nr. 26, 28.6.99], die darstellt, wer sich wo einordnet. Ganz links ist die Free Software. Dort findet man Richard Stallmann, Eric Raymond als den Guru und die Free Software Foundation. Der Open Source-Code, der aber nicht ganz free ist, wird vertreten z.B. durch Linus Torvalds, RedHat, Caldera u.a., das wäre die Linux-Seite. Quasi-Open Source, das ist dann sowas wie Sun, Netscape, Novell, aber auch seit gestern SCO. Und dann eben die commercial Software, wo alles abgeschlossen ist.

Zu den Derivaten brauchen wir jetzt nicht viel zu sagen. Das BSD-Copyright ist eins. Interessant finde ich die Mozilla Public License in der Form, die FpML heißt. FpML ist so etwas wie XML, eine Formatierungssprache für Finanztransaktionen, entwickelt von Price-Waterhouse. Warum hat niemand 'HTML' unter public License gestellt? Weil es eigentlich völlig sinnlos ist. Daß Price-Waterhouse eine Mozilla-Lizenz auf ihr Produkt setzt, zeigt nur den Einfluß dieses Open Source-Denkens auf solche Firmen. Interessant für mich als Journalist ist auch noch die OpenContent Publication License, die OPL, die einfach besagt, daß man seine Artikel auf einen Server packen kann und jeder diese Artikel weiterverwenden darf, wenn er sie ungekürzt weiterverwendet. Das ist für einen Journalisten eine gute Sache. Hier sind noch weitere Source Code-Lizenzen: Die X11 hatten wir schon. Die Zitier-GPL der deutschen Newsgroups finde ich auch eine interessante Entwicklung. In irgendeiner Newsgroup ist eine Diskussion entstanden um diesen WebWasher von Siemens. Und dann gings da hoch her. Einige der Protagonisten, die sich ein werbefreies Internet wünschten, gingen in eine Auseinandersetzung mit Focus und fühlten sie sich dann falsch zitiert. Sie haben dann jedes ihrer Zitate unter eine GNU Public License gestellt. Sie wollten erreichen, daß sie in der Zeitung nur dann zitiert werden, wenn wirklich komplett alles bis zum letzten Komma zitiert wird und auch alle anderen Varianten davon. Das ist auch eine interessante Entwicklung -- sicherlich im Newsnet nicht verwunderlich --, daß so etwas überhaupt angedacht wird.

Zum Thema billiges Outsourcing: Da will ich nur drei Anmerkungen machen, mit denen man vielleicht in die Diskussion einsteigen kann. Diese Gift Economy, die Geschenkökonomie, ist in meinen Augen ein völlig fragwürdiger Ansatz zu erklären, warum Open Source läuft. Bei dem Vortrag von Kalle Dalheimer war das schon eher zu spüren. Mit der Anerkennung ist es viel eher so, daß sie unter den Programmieren eine Rolle spielt. Aber eine Gift Economy? Ich stelle etwas hin und hoffe darauf, daß ich irgend etwas von der Community zurückbekomme -- Das ist vielleicht denkbar, wenn man einen Reifenschaden hat, an der Autobahn steht und hofft, daß jemand anhält, genau wie man selber anhält, wenn man dort jemanden an der Autobahn sieht. Aber im Rahmen einer Software-Entwicklung reicht das nicht als Erklärung aus.

Bounty-Modelle haben gerade eine Hochkonjunktur. Mit Bounty-Modellen ist das gemeint, was jetzt z.B. SourceXchange (ein Dienst von Collab.Net) oder CoSource machen: offene Webserver, auf denen Firmen Arbeitsangebote oder Programmierangebote haben, und Open Source-Programmierer können hingehen und sich das Angebot nehmen und bearbeiten. Das heißt ja deswegen Bounty-Modell, weil sich einer den Bounty-Riegel schnappt und ihn verputzt. Sie verhindern Open Source in dem Sinne, daß demjenigen, der so einen Auftrag annimmt, ja daran gelegen ist, daß dieser Auftrag geheim bleibt. Der müßte seine Software schon wieder schützen. Er müßte hingehen und eine geschlossene Entwicklung als Ein-Mann-Büro oder in einem kleinen Rahmen machen. Ich glaube, daß das, was bei Open Exchange oder anderen Web-Diensten im Bereich der Open Source los ist, genau die gegenteilige Entwicklung auslösen wird.

Dann ist da noch ein ungeklärtes Problem, und damit können wir hier mit dem Panel anfangen: die Vererbung von Lizenzmodellen. Was damit gemeint ist, will ich kurz zum Schluß ansprechen. Wenn man nämlich an irgendeiner Stelle, z.B. bei den Tool-Kits ein proprietäres System einsetzt, vererbt sich der proprietäre Ansatz, so daß das am Ende dann für ein anderes Produkt auch gilt. Es mag wohl möglich sein, daß ich oben ein Betriebssystem habe, was völlig frei ist, und da unten drunter sind die Haken versteckt. Es gab eine Diskussion beim KDE-Desktop darüber, es gab eine Diskussion bei dem Produkt von TrollTech. Und ich glaube, daß diese einzelnen Unterlizenzen, die da eine Rolle spielen werden, auch angesichts der Vielzahl der Lizenzen, ein Problem für die Open Source-Bewegung sein werden.

(Transkription Katja Pratschke)



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