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The GIMP

Marc Lehmann


In der nächsten Viertelstunde möchte ich Ihnen etwas über ein Programm namens GIMP erzählen. Und das Wichtigste vorab ist dieses kleine Tierchen hier. Das nennt sich Wilbur. Wilbur ist ein GIMP, und was viel wichtiger ist: er wurde auch mit dem GIMP gezeichnet. Das GIMP ist ein Malprogramm oder auch ein Bildverarbeitungsprogramm. Man kann auch Fotos damit manipulieren. Und als Beispiel habe ich gleich mal einen Screen-Shot mitgebracht.






Links oben sieht man den eigentlichenGIMP. Das ist im Prinzip nur ein Fenster mit Werkzeugen, da kann man dannBilder laden. Hier zum Beispiel ein Photo vom letzten europäischenGIMP-Entwickler-Treffen in kleiner Runde. Hier unten der Linux-Pinguin,der ursprünglich auch mit dem GIMP gezeichnet wurde. Und als kleinesBeispiel, was man so machen kann, habe ich hier die Tür -- die warvorher auf dem Originalbild völlig schwarz, im Schatten gelegen --jetzt mit einem Selektierwerkzeug ausgeschnitten und hier mit einem Kontrastverstärkungswerkzeugsoweit heller gemacht, daß man sehen kann, was im anderen Raum fürGegenstände stehen.

Hierhabe ich einen Zeitpfeil über die Entwicklung der einzelnen wichtigenSchritte. Anfang 1995 steht da die graue Vorzeit. Da haben zwei Programmierer,die gerade in einer furchtbar langweiligen Vorlesung über Compilersaßen, sich gedacht: 'Das kann die Welt nicht sein. Wir könnennicht einfach so langweilige Programme schreiben. Wir machen jetzt irgendetwasSinnvolles. Nicht irgendeinen Test für unseren Professor, sondernwir schreiben jetzt ein Programm, das die Welt braucht.' Und damit wardie Idee eigentlich auch schon geboren. Die beiden haben dann mehr oderweniger im Stillen neun Monate lang an diesem Programm gearbeitet und sindAnfang 1996 an die Öffentlichkeit getreten mit der Version 0.54.

GIMP ­ der Name ist eineAbkürzung ­ stand ursprünglich, wie es jetzt hier auf demProgramm steht, für General Image Manipulation Program, alsoein allgemeines Bildmanipulationsprogramm. Inzwischen wurde es umbenannt.Man hat mich nämlich hingewiesen, daß ich das unbedingt nochsagen muß. Es ist neuerdings das GNU Image Manipulation Program.Und das deutet auch an, unter welcher Lizenz es verfügbar ist. GIMPselbst ist unter der GPL erschienen, das heißt, wenn irgendwelcheErweiterungen oder Verbesserungen stattfinden und die veröffentlichtwerden, profitieren wir im allgemeinen davon. Die Schnittstelle aber, unddas ist das Wichtige, wenn man GIMP mit eigenen Effekten weiter ausstattenmöchte, ist jetzt unter der LGPL. Die Unterschiede werden irgendwannin einem anderen Vortrag genau erklärt. Der wichtigste Punkt ist da,daß Firmen beispielsweise sagen: 'Nun gut, wir können jetztfür Photoshop...' -- das ist quasi die kommerzielle Variante vom GIMP[Gelächter] ... GIMP ist gut! Man soll sich da nichts vormachen. Dabraucht man sich nicht verstecken. '... wir können jetzt ein kommerziellesPlugin entwickeln. Das gibt es dann nur als Binärformat, und wennGIMP das nicht erlaubt, gibt es eben keine Version für GIMP.' Unddeshalb ist diese Erweiterungsschnittstelle für GIMP von der Lizenzso gehalten, daß man auch binär Erweiterungen schreiben kann,ohne daß man den Quellcode herausgeben muß.

GIMP 0.54, das ist ja bei denmeisten Software-Projekten so, daß die Version unter 1 noch eherinstabil, eher noch nicht so ausgereift ist, und mit der Version 1.0 istdann zum ersten Mal ein richtig stabiler Punkt in dem Programm erreicht.Das ist also nicht so, wie bei kommerziellen Programmen, wo die Version6.0 zum ersten Mal nicht nach fünf Minuten abstürzt. GIMP 0.54hatte aber auch einige Probleme, denn, um die ganzen Bedienelemente zuzeichnen, diese Knöpfe, die Fenster, hat es ein Toolkit eingesetzt,das nennt sich Motif, das kennen die meisten. Das ist aber kein freiesProjekt. Man kann den Quellcode zwar für viele viele tausend DM kaufen,aber kaum jemand hat ihn und auch kaum jemand hat Motif. Und vor allemnicht auf freien Betriebssystemen, wo man sich das einfach nicht leistenkann, ein paar hundert Mark nur für so einen Toolkit auszugeben. Deshalbhaben die beiden Programmierer gesagt: 'Das erste, das wir tun müssen,ist, Motif zu ersetzten.'

Das ist so schrittweise inder Version 0.60 passiert. Das war eine Version, die lief überhauptnicht stabil, weil da jede Woche ein ganz neues tolles Feature reinkam,und jede Woche wurde irgendetwas umgestellt. Das war also nur fürEntwickler. Mitte 1996 war es dann soweit, daß dieses GIMP 0.54 soeine weite Verbreitung hatte, daß die Leute einfach sagten: 'Wirwollen jetzt auch mitentwickeln, wir wollen vor allem auch mitbestimmennach dem Motto 'Ich brauche aber unbedingt Farbtrennung,' oder: 'ich braucheunbedingt dieses oder jenes Feature.' Und deshalb wurde die Mailingliste,die das Hauptwerkzeug zur Kommunikation unter den Entwicklern war, ersetztdurch zwei, nämlich eine, wo sich quasi die ganzen Benutzer tummelnkönnen, und eine andere, die eine Art stilles Refugium für dieEntwickler war. Die waren zwar immer noch frei zugänglich, aber dashat sehr viel geholfen, weil die Entwickler wieder ein Medium hatten, wosie größtenteils unter sich waren.

Anfang 1997 wurde dann unteranderem Wilbur gezeichnet, deswegen ist er hier noch einmal drauf. Undes gab auch die erste Version, die so einigermaßen gut lief und vorallem völlig unabhängig war von irgendwelchen kommerziellen Softwarepaketen.Damals wurde auch ein IRC-Server speziell für GIMP erstellt. Ein IRC-Serverist ein Internet-Chat-System, wo man im Gegensatz zu einer Mailinglistein Echtzeit miteinander reden kann. Das ist etwas, was auch GIMP von vielenanderen Softwareprojekten unterscheidet, es gibt nämlich nicht nureine Mailingliste.

Die Version 0.99 hatte alswichtigste Neuerung ein eigenes Toolkit. Das hatte ich schon gesagt, dasnennt sich Gtk+. Dieses Toolkit wurde dann, weil es für sich alleinso gut war, zu einem eigenen Projekt. Das ist auch heutzutage noch einExtra-Projekt. Das hat also mit GIMP nicht mehr direkt etwas zu tun, unddas sind auch unterschiedliche Entwickler.

Dann ein ganz wichtiger MeilensteinMitte 1998: Da gab es zwei Benutzer, die haben sich gesagt: 'SchönesProgramm, leider weiß niemand, wie man es bedient, also brauchenwir ein Handbuch.' Und sie haben ein zweihundertseitiges Buch geschrieben,das GIMP Users Manual. Das war eine Riesenleistung. Sie haben esinzwischen auf über 600 Seiten erweitert. Das gibt es gedruckt. Mankann es also kaufen, man muß es aber nicht. Es gibt es auch im Internet,d.h., das Handbuch ist, genauso wie die Software, frei erhältlich.

Anfang 1998 wurde dann dasGNOME-Projekt gegründet. Das GNOME Projekt -- haben wir hier heuteauch schon öfters gehört -- ist ein Desktop-System, das alleProgramme, die man beim täglichen Arbeiten braucht, wie File-Manageroder auch kleine Office-Sachen anbieten möchte. Das hat direkt mitdem GIMP nichts zu tun, aber es benutzt auch dieses Gtk-Toolkit. Das heißt,dadurch, daß aus GIMP diese ganzen schönen Routinen in das Gtk-Paketausgekoppelt wurden, konnten auch andere Projekte davon profitieren. DasGNOME-Projekt ist inzwischen quellcode-zeilenmäßig wesentlichgrößer als GIMP. Es gibt über 230 Programme, die alle unterdem GNOME-Dach leben. GIMP hat, wie gesagt, nicht direkt etwas damit zutun. Es ist nur eine historische Verbindung, daß man sich auf diegleichen Grundlagen bezieht.

Es hat sehr lange gedauertbis es dann Mitte 1998 erst die erste 1.0-Version vom GIMP gab. Zwischendringab es im Prinzip nur instabile Versionen, die manchmal sehr stabil waren,manchmal gar nicht, also nichts, was die Benutzer benutzen sollten. Dashat also sehr lange gedauert, und das lag daran, daß die beiden Entwickler,die ursprünglich dieses Programm geschrieben haben und das Projektauch gemanaged haben, irgendwann ihren Universitätsabschlußgemacht haben. Und die waren dann vom einen Tag auf den anderen einfachweg. Die haben nicht gesagt: 'So, wir haben jetzt keine Zeit mehr, Wirarbeiten jetzt nicht mehr mit,' sondern von einem Tag auf den anderen warensie einfach nicht mehr da. Das hat dazu geführt, daß da rechtanarchische Zustände Einzug gehalten haben, weil niemand so rechtwußte, wer macht jetzt überhaupt irgendwelche GIMP-Versionen,wer veröffentlicht die? Dann haben das irgendwelche Leute gemacht,und einige davon haben sich als besonders fähig herausgestellt. Diehaben dann Versionen herausgegeben und die Entwicklung ist wieder in Ganggekommen.

Heute sind wir bei GIMP Version1.1. Das ist wieder eine instabile Version, und wir steuern auf die 1.2zu, aber das dauert möglicherweise auch noch einige Monate, vielleichtauch ein Jahr. Wir wissen es nicht, wir haben keinen definitiven Termin.



Hier habe ich noch einen Screen-Shot.Der ist zugegebenermaßen sehr verwirrend. Niemand wird so mit diesemProgramm arbeiten. Aber es zeigt, daß es doch ein bißchen mehrkann, als nur irgendwelche Bilder drehen oder so, sondern inzwischen gibtes, wie man hier in diesem Menü sieht, über vier- oder fünfhundertEffekte, die es kann. Und damit muß man natürlich umgehen können,was ein Problem ist, weil, bis man so einen Effekt in den vielen Menüsdann auch gefunden hat, selbst wenn man sich gut auskennt, vergehen dochmanchmal 10 bis 20 Sekunden. Das ist eine ziemlich lange Zeit, um ein Menüzu durchsuchen.

Wie läuft die Entwicklungab? Wenn ich meinem Vater erzähle: 'Du, ich arbeite da an so einemganz wichtigen, tollen Projekt, es ist unheimlich eine prestigetträchtig,wirklich toll,' dann ist die erste Frage: 'Ja, und wie viel verdienst Dudabei?' Es ist natürlich bei der freien Software... Ja, ich kriegeab und zu mal ein nettes Dankeschön oder, wenn ich mal ganz wichtigwerden sollte, kriege ich vielleicht von einer Firma etwas gesponsort,vielleicht ein Grafiktablett, aber die wollen ja auch wieder etwas dafür.

Viel wichtiger ist die zweiteFrage. Und die ist dann immer: 'Und wer sagt Dir, was Du da machen sollst?Wer gibt Dir quasi die Befehle? Was entwickelst Du?' Bei GIMP ist das wiebei vielen freien Projekten so: Es gibt natürlich niemanden, der irgendetwas zu sagen hat. Wir haben auch kein Board of Directors, keinenVerein oder irgendetwas Offizielles, sondern es sind einfach die Leute,die da an diesem Projekt arbeiten, die regelmäßig viel tun.Die sind dann automatisch Entwickler. Es kann auch jeder werden. Im Prinzipmuß man sich dazu nur auf die Mailingliste subscriben lassen.Und wenn man dann viel Sinnvolles von sich gibt, dann muß man nichtnoch nicht einmal mehr irgendetwas schreiben. Wenn man gute Ideen hat,gut diskutieren kann, ist man natürlich Teil dieser Entwicklergemeinde,dieser Community.

Ich habe schon gesagt, dasgrundsätzliche Kommunikationsmittel ist eMail und -- was mehr oderweniger einzigartig ist -- dieser IRC-Server. Wenn es keine direkte Hierarchiegibt, gibt es natürlich auch niemanden, der bei Streitfällen,wenn es irgendwann mal Zoff gibt -- den gibt's ja immer -- niemanden, derda schlichten kann. Bei Apache haben wir jetzt gehört, wenn ein Patch,eine Änderung nicht von allen akzeptiert wird, kommt er auch nichtrein. Wenn es bei GIMP so wäre, dann wären wir heute noch beiVersion -15 oder so. Dann hätte niemand irgend etwas reingebracht,denn es gibt immer jemanden, der meckert.

Auf ein Problem möchteich gesondert noch eingehen. Ende 1998 war es so, daß auf diesereigentlichen Mailingliste jede Menge Müll zu lesen war. Da gab esalso jede Menge Leute, die dachten: 'Ja, wir müssen jetzt unbedingtunseren Senf zu diesem Projekt dazugeben.' Aber eigentlich kam dabei nichtsraus, und die Entwickler, die darin arbeiten wollten, haben sich gesagt:'Warum lesen wir den Quatsch eigentlich noch?' Denn 90% der Postings aufdieser Mailingliste kann man sowieso wegschmeißen. Das ganze nenntman übrigens den Signal-to-Noise Ratio, also das Verhältniszwischen Nutzdiskussionen und Müll oder Rauschen, also Information,die einfach unwichtig ist, und das war da sehr hoch. Das hat dazu geführt,daß die Entwickler natürlich gar nichts mehr von dieser Mailinglistegelesen haben.

Und da kam also jemand, derDaniel Eggert, der hat sich damals sehr sehr viel Arbeit gemacht und hatden GIMP internationalisiert. Das heißt, er hat ursprünglicherstmal alle Menüs auf Deutsch übersetzt, und er hat vor allemden Quellcode so umgestellt, daß man weitere Sprachen sehr einfacheinbinden kann. Das ist für die Verbreitung ja nicht unwichtig. DasGanze war sehr sehr viel Arbeit, vor allem stupide Arbeit, weil man jajeden einzelnen Text in dem Programm irgendwo suchen und ersetzen mußdurch etwas Deutsches. Das hat er auf der Mailingliste groß angekündigt,aber niemand hat ihn gelesen, niemand wußte davon. Und diejenigen,die es gesehen hatten, dachten: 'Es ist nicht mein Problem, das macht irgendjemand anderes. Irgend jemand schaut sich den schon an.' Daniel Eggertist nach einem Monat ein bißchen sauer geworden, weil er sagte: 'Washabt Ihr denn? Ich habe da etwas Tolles gemacht, und Ihr habt nicht malgesagt 'das ist schlecht.' Ihr habt gar nichts dazu gesagt.' Und dann hater etwas gemacht, was für ein freies Software-Projekt den Untergangbedeuten kann oder zumindest sehr schlecht ist, und zwar hat er einen Splitherbeigeführt. Man kann sich das so vorstellen: bei GPL-Software oderauch bei anderen, bei BSD-Lizenz-Software kann man ja den Quellecode nehmenund einfach kopieren und sein eigenes GIMP-Projekt, sein eigenes Apache-Projektaufziehen. Und genau das hat er versucht. Er hat so gesagt: 'Die Entwicklersind alle tot, die sagen nichts mehr, die gibt es nicht mehr. Ich habejetzt meinen eigenen GIMP. Wer etwas entwickeln will, soll zu mir kommen,und dann machen wir eine Entwicklung.' Es war einfach ein Split, weil dasProjekt zerteilt, innerlich zerrissen wurde. Es ist klar, wenn dann zweiverschiedene Gruppen entwickeln, macht die eine Fortschritte und die andereFortschritte, aber das Projekt an sich profitiert nicht von der bestenMöglichkeit. Und die Benutzer stehen dann irgendwann davor und sagen:'Ja, es gibt da ein DIMP oder GIMP oder vielleicht auch ein BIMP, was nehmeich denn jetzt von den vielen Programmen? Welches ist dann das beste?'

In diesem Fall war dieser Splitnicht sehr wichtig. Es hat sich herausgestellt, daß praktisch niemanddaran interessiert war, und inzwischen sind auch die ganzen Änderungenvon Daniel Eggert im echten GIMP eingebaut. Das Ganze hatte auch einenpositiven Effekt, denn inzwischen lesen alle Entwickler auch wieder dieseMailingliste, und die meisten Diskussionen werden nicht mehr privat geführt,sondern tatsächlich wieder öffentlich. So ein kleiner Schockkann manchmal Wunder wirken.

(Transkription Elena Nowak)



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